Am nächsten Tag gelingen uns tatsächlich ein paar Einblicke in die Landschaft, durch die wir in der letzten Nacht 7 Stunden gefahren sind. Sie ist absolut spektakulär. Berge, Täler .. die Dörfer sind künstlerisch an die Berghänge gebaut. Wenn hier ein Unwetter kommt, schwemmt es die ganze Erde und den ganzen Schlamm durch die Dorfstraßen nach unten. Aber wie und wo sollen die Menschen hier sonst Häuser bauen? Jedes Dorf ist eine kleine Meisterleistung.
Wir sind auf dem Weg zu den zeremoniellen vorkolonialen Stätten Yohualichán, 8 Kilometer von Cuetzalan entfernt. Die letzten beiden Kilometer führen über eine steile Kopfsteinpflasterstraße. Also wieder schleicht der Mietwagen Meter für Meter vor sich hin. Aber das sind wir ja mittlerweile gewohnt. An der archäologischen Stätte angekommen, genießen wir die Ruhe. Hierher verirrt sich selten mal ein Reisebus mit Touristen. Allein deshalb lohnt es sich, solche Anfahrtsstrecken auf sich zu nehmen.
Die Pyramiden (sogenannte Nischenpyramiden) sind in einem ziemlich ruinösen Zustand und fast komplett bewachsen. Sie haben deshalb einen ganz besonderen Charme. Keiner hat allzuviel Hand angelegt, um die Pyramiden wieder aufzubauen. Sie sind, wie sie eben sind. Bewachsen und mit der Zeit ziemlich windschief geworden, was wohl auch dem sumpfigen Untergrund und der hohen Luftfeuchtigkeit geschuldet ist. Wenn man auf dem Hauptplatz steht, kann man sich durchaus vorstellen, wie majestätisch das ganze gewesen sein muss. Lange kann man den Anblick jedoch nicht genießen. Die Sonne knallt erbarmungslos vom strahlend blauen Himmel. Die weißen Wolken können die 35 Grad nicht verhindern. Die Luftfeuchtigkeit liegt hier bei 90% und lässt uns schwer atmen. Alles ist so schwül heiß, als kommt in den nächsten 5 Minuten ein furchtbares Unwetter. Das bleibt aber aus und so schwitzt man vor sich hin.
Am Ausgang treffen wir einen netter Mexikaner, mit dem wir uns lange unterhalten. Er erzählt uns von einem großen Fest, dass gerade ganz in der Nähe gefeiert wird. Klar machen wir uns sofort auf den Weg, hatten sowieso keine besonderen Pläne für den Nachmittag. Für solche Geheimtipps sind wir immer zu haben.
Bevor wir das Dörfchen verlassen, werfen wir noch einen Blick in die hübsche kleine Dorfkirche und kosten vom einheimischen Wein, der überall am Straßenrand angeboten wird.
Die Straße zum Einheimische- Fest ist noch enger und schlechter als die zur Ruinenstätte. Wir geben nicht auf, wohl aber unser Mietwagen. Wieder einmal lassen wir ihm am Straßenrand zurück und weiter geht’s zu Fuss. Nach ca. 45 Minuten schlammigem Weg ins Tal hören wir tatsächlich Musik, die immer lauter wird. Ein Festchen .. von einem großen Fest kann man wohl nicht sprechen. Aber das liegt im Auge des Betrachters. Es gibt ein paar Stände mit Essen, ein paar Stände mit Getränken, Musik .. wie auf jedem Festchen. In der bunt geschmückten Kirche führen ein paar Männer mit bunten Kostümen einen traditionellen Tanz auf. Der Untergrund besteht aus schlammigem Waldboden. Ein Riesenspaß. Ganz in der Nähe wird noch ein Fußball Turnier ausgetragen. Auf diesem Boden noch ein größerer Spaß.
Wir lassen uns nieder und stärken uns mit Bier und Tacos. Tacos mit Schweinefleisch und Salsa – sehr lecker 😀
Für die Mexikaner hier in der Abgeschiedenheit der Berge ist dies aber DAS Highlight. Das verrät ein riesiges Schild an der Straße. Gefeiert wird fast eine Woche lang.
Der nächste Tag ist ein Sonntag. Da in Cuetzalan der Sonntagsmarkt der bunteste und schönste in der Gegend sein soll, bleibt dieser Tag allein für den Ort und das bunte Treiben reserviert.
Cuetzalan, so unaussprechlich sein Name, so wunderschön im Regenwald gelegen, die Straßen so steil, dass man kaum hochklettern kann. Sonntags geht hier die Post ab. Dann reiht sich in der kleinen Innenstadt Marktstand an Marktstand. Trachttragende indigene Einheimische aus den umliegenden Dörfern füllen die Kopfsteinpflasterstraßen mit Leben. Der Duft von Mais, Kaffee und Vanille steigt einem in die Nase. Mexiko ist bekannt für seine bunten Märkte. Dieser hier ist aber durch das Bergdorf- Kopfsteinpflaster- Flair unschlagbar.
Hier kann man sich mit allem eindecken. Die Auswahl ist so groß – wie im Schlaraffenland. Es werden vor allem frische lokale Waren angeboten. Die Marktmänner und -frauen so tatkräftig am schreien, anbieten, handeln, verpacken .. Hier wechseln Gürtel, Schüsseln, Blumen, Obst, Gemüse, Gewürze, Fleisch, Fisch, Klamotten .. und vieles mehr den Besitzer. Ganz klar, wird hier zugeschlagen. Eine solche Vielfalt gibt es schließlich nur sonntags!! Jeder ist auf den Beinen, vom Säugling im Tuch auf dem Rücken bis hin zu 90 jährigen barfüßigen Frauen, die in gebückter Haltung Souvenirs verkaufen.
Sehr beeindruckend sind auch die sogenannten voladores, junge Männer, die auf einen ungefähr 30 Meter hohen Pfahl in der Mitte des Kirchturmplatzes klettern, um kopfüber an Seilen den Pfahl umkreisend langsam zur Erde herunter zu schweben. Dabei schlagen sie sogar noch auf Trommeln und Pfeifen rituelle Musik.
Am nächsten Tag geht es zur Ruinenstätte Cantona. Auch hier ist der Weg wieder abenteuerlich. Es gibt weit und breit keine Schilder .. wir fahren natürlich erstmal ca. 20 Kilometer am Abzweig vorbei. Also wieder zurück .. wie so oft und tatsächlich von dieser Seite aus sind die Ruinen ausgeschildert (siehe erstes Bild ganz klein rechts in der Mitte)!! Na also wie kann man das denn übersehen?!
Den Parkplatz zu den Ruinen finden wir hingegen schnell. Er ist riesig. Hier haben locker 200 Pkw Platz .. und? Wir sind die Einzigen! Am Eingang ist kein Mensch. Wo also Eintritt loswerden?! Hmm .. wir schleichen hin und her und um die Ecke. Ahh .. da spielen die Angestellten Fussball. Ok, irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben. Wir fragen nach Tickets .. hmm später erklärt man uns .. jetzt ist anscheinend nicht die passende Person zur Hand oder noch auf dem Ballspielplatz. Also gut, dann starten wir die Erkundung der Ruinen ohne Eintritt.
Cantona ist eine unglaublich gut erhaltene mesoamerikanische Stadt. Anscheinend bei Touristen unbekannt. Ok, Cantona liegt absolut isoliert, weit von jeder irgendwie bedeutenden Stadt entfernt. Genau so etwas suchen wir 😀
Die Erkundung führt einen ausgeschilderten Weg entlang. Die Ruinen liegen auf einem Lavafeld, das mit Kakteen und Yuccapalmen jeder Größe gesprenkelt ist.
Wir sind hier ganz allein. Wir sind an diesem Vormittag die Einzigen Besucher! Es ist unglaublich. Unglaublich still und unglaublich schön hier. Wir setzen uns immer wieder hin, genießen die Ruinen, die Stille und stellen uns das Leben vor, dass die Menschen hier früher wohl geführt haben. Die Gebäude und Pyramiden waren nicht so, wie man sie jetzt vorfindet. Alles war bunt bemalt. Es muss eine wirklich wunderschöne Stadt gewesen sein.
Aber nicht nur das. Cantona war wahrscheinlich das größte Zentrum Mesoamerikas. Hier wurden Ruinen auf einer Fläche von 12 km² gefunden, wovon nur 1% freigelegt wurde! Allein um diese 1% zu erkunden braucht man ca. 3-4 Stunden. Unvorstellbar groß! Die Stadt wurde ca. 150 bis 1.000 n. Chr. von ca. 80.000 Einwohnern genutzt.
Wenn man bei 35 Grad Hitze auf die Pyramiden hinaufklettert, wird man umso mehr für die grandiosen Ausblicke belohnt. Einerseits auf die große Ruinenstädte selbst und andererseits auf den Pico de Orizaba. Dieser hat uns mit seinem schneebedeckten Gipfel schon Tage zuvor am Horizont begleitet.
Die Pyramiden waren den Priestern und Machthabern der Stadt vorbehalten. Das kann man sich bei dem Überblick, den man von dort oben hat, nur allzu gut vorstellen!
Nach dem Rundgang, fragen wir nochmal am Eingang, ob wir nun unseren Eintritt loswerden dürfen. Und tatsächlich – die passende Person ist nun zur Stelle und verkauft die vielleicht einzigen Eintrittskarten an diesem Tag!
Comments:1
Leave a Reply