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Expeditionskreuzfahrt zum Ende der Welt

Wir  starten unsere Expeditionskreuzfahrt zum Ende der Welt im Hafen von Punta Arenas in Chile. Das Schiff liegt vor uns, riesig, unten blau und oben weiß mit den kleinen Fensterchen der Kabinen. Eine reiht sich an die andere. Um 19 Uhr ist einchecken, eine kurze Lebensrettungsübung für den Ernstfall und dann erstmal zum 4-Gänge Abendessen in den Speisesaal Patagonia. Währenddessen entfernt sich das Schiff immer weiter vom Festland und startet seine Fahrt durch die Magellanstraße zum Ende der Welt.

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Die erste Nacht ist nach dem Besuch in der Bar ziemlich ruhig .. wir schlafen gut beim leisen Geschaukel der Wellen auf der Magellanstraße. Irgendwie kehrt das geborgene Gefühl vom Kinderwagen zurück. Es fühlt sich ziemlich neu, ungewohnt und dennoch gut an.

Der erste Landgang führt uns auf Zodiak- Booten in die Ainsworthbucht. Vorsichtig steigen wir in diese wackelig aussehenden Schlauchboote. Aber sie sind ziemlich stabil, man fasst schnell Vertrauen. Die Bucht ist ruhig. Wie alles hier. Nur Natur, sonst nichts. Kein Haus, keine Menschen. Wir spazieren durch diese raue, von immerwährenden Winden zerzauste Landschaft. Moose, Flechten, immergrüne Buchen, Beerensträucher .. hier ist alles feucht und wir bleiben öfters im rot leuchtenden Torfmoor stecken. Der Weg führt auf einen kleinen Hügel von dem aus man eine wunderschöne Aussicht auf die Bucht und die Inselchen davor hat. Wir klettern, halte inne, geniessen. Versuchen ein Stück dieser nahezu unangetasteten Vollkommenheit aufzusaugen. Die Sonne stahlt dazu als gäbe es kein Morgen.

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Am Nachmittag geht es mit den Zodiakbooten zu den Tucker- Inseln. Einem Vogelparadies. Hier regieren allein die Vögel und da das auch vollkommen richtig so ist und so bleiben soll, bleiben wir in den Zodiakbooten sitzen. Man beobachtet aus der Ferne – denn WIR gehören hier eigentlich nicht hin. Erst kommen uns auf der Insel ein paar einzelne Magellanpinguine entgegengewatschelt. Schon diese bringen uns zum Staunen. Pinguine in ihrem natürlichen Lebensraum – ohne Zaun und dreckiges Wasser im Zoobecken. Ganz natürlich auf IHRER Insel. Wir fahren ein Stück weiter und plötzlich ist es eine ganze Kolonie. Schwarz- weiße watschelnde Pinguine. Sie haben keine Angst vor uns, machen einfach mit dem weiter, was sie tun wollten. Schauen, schlafen, tauchen, sich putzen, in der Sonne braten. Das Wetter ist traumhaft schön an diesem Tag und wir genießen jede Sekunde in dieser noch relativ unberührten Natur. Es ist schön, dass sich die Pinguine anschauen lassen. Sie hätten genug Platz auf der Insel sich vor uns zu verstecken. Tatsächlich aber sind sie ziemlich neugierig. Im Sommer sind hier noch wesentlich mehr Pinguine, da wir aber in Patagonien bereits Herbst haben, gibt es noch die zurückgebliebenen, die noch nicht fertig mit der Mauser sind. Auch die jungen Pinguine sind schon weg – nach Norden „gewandert“, wo es wärmer ist.

Der Weg führt uns weiter zu einer anderen kleinen Insel, die überfüllt ist mit Komoranen. Sie sehen von weitem aus wie Pinguine – auch schwarz-weiß, können aber seltsamerweise fliegen. Auch hier bekommt man gleich das Gefühl, dass diese Vögel die Insel beherrschen. Sie allein. Und so ist es auch. Wir schauen zu, beobachten. So läuft es also in der Natur – fern ab von jeder Zivilisation. Hier gibt es wirklich weit und breit nur Natur. Keine Stadt, kein Dorf, nichtmal eine Häuseransammlung. Sie scheinen glücklich auf Ihrer Insel. Und dennoch gibt es hier und da eine „Balgerei“. Ein Komoran jagt den anderen ins Wasser – dieser klettert auf der anderen Seite der Insel wieder hoch und das Schauspiel geht von vorn los. Zwischendrin sieht man Blutschnabelmöven – ziemlich gut genährt. Sie stehlen das Futter, dass die jungen Komorane von Ihren Müttern bekommen sollten. Faules Pack 😉

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Die nächste Nacht ist ziemlich stürmisch. Wir wachen vom Wellengang gegen 3:30 Uhr auf, nachdem wir erst gegen 1 Uhr nach einigen Drinks an der Bar im Bett verschwunden sind. Wir sind also auf offender See, nicht mehr im Schutze der Magellanstraße. Und das merkt man sofort. Nach etwas aufgeregtem hin- und herlaufen und in alle Richtungen schauen, lege ich mich (tapfer ohne Schwimmweste) wieder ins Bett. Sinnvoll kann man nur auf dem Rücken liegen, da man durch den Wellengang von der Seite immerwieder auf den Rücken oder den Bauch gedreht wird. Auch eine Erfahrung – hatten wir in der Form noch nicht 😀

Der zweite Tag bringt uns in den Beaglekanal und weiter zum majestätischen Pia- Gletscher. Wir sehen ihn schon von weitem. Wir setzen wieder mit den Zodiak-Booten über. Der Fußweg führt uns am Ufer entlang immer näher an den Gletscher, vor allem an seine Abbruchkante heran. Dann stehen wir direkt davor. Vor diesem Gletscher – 150 m hoch, 1,2 km breit seine Abbruchkante. Keiner von uns kann sich vorstellen, wie weit er sich noch nach hinten ins Gebirge erstreckt. Alle warten gespannt .. und es passiert tatsächlich. Das Eis bricht ab. Hier und da kleine Eisbrocken mit riesigem Getöse, wie bei einem schrecklich lautem Gewitter. Wir stehen da und staunen, versuchen das ganze auf Bildern festzuhalten. Aber kein Foto kann je wiedergeben, wie schön alles in Wirklichkeit ist und vor allem wie beeindruckend.

Wir steigen einen kleinen Hügel hinauf um den Gletscher auch von weiter oben zu beobachten und einen besseren Überblick über die Bucht zu haben. Er ist wahnsinnig groß. Wir sind keine 50 m entfernt. Ein Naturwunder seit Millionen Jahren. Und plötzlich passiert es .. ein riesiger Eisberg – sicher so groß wie ein Mehrfamilienhaus stürzt ins Wasser. Kurz darauf das Geräusch dazu – furchtbar laut und lang. Man kann es mit Donner vergleichen und dennoch ist es ganz anders. Faszination, Staunen, Stille.

Nach dem Gletscherspaziergang gibt es am Strand Whisky mit Gletschereis – ein bisschen Luxus nehmen wir gern mit.

Als wir wieder auf dem Schiff angekommen sind, setzt sich dieses in Bewegung durch die sogenannte Gletscherallee. Einer ziemlich engen Allee im Beaglekanal, in der sich ein Gletscher an den anderen reiht. Wir sehen den Romanche, den Deutschland, den Frankreich, den Italien und den Hollandgletscher. Begleitet wird diese atemberaubende Stunde mit kulinarischen Köstlichkeiten aus jedem Land. Nach Bier mit Würstchen, Champagner mit Käse, Weißwein und Rotwein mit Pizza und wieder Bier mit Fleischbällchen und ganz viel Staunen, haben wir uns ein kleines Schläfchen vor dem Abendessen verdient.

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Am dritten Tag geht es mit den Zodiakbooten in die legendäre Wulaia- Bucht. Wir spazieren auf einen Hügel, durch einen Wald. Immergrüne Buchen, raue Flechten, Torfmoor. Die Landschaft zerzaust vom Wind.

Überall in Feuerland, wie auch hier sieht man riesige Flächen mit abgestorbenen Bäumen und letztendlich Biberdämme. Die Geschichte dazu will ich euch nicht vorenthalten: Der kanadische Biber wurde vor Jahren mit 25 Paar nach Feuerland gebracht. Man hoffte eine Pelzproduktion aufbauen zu können – da man dieses Land für nichts anderes geeignet hielt. Daraus wurde nichts. Aber die Biber fühlten sich hier sehr wohl. Überall ist es feucht, es gibt Bäche, Seen, verlassene Wälder .. sodass sich diese Tierchen in kurzer Zeit vermehrten. Bis zu 150.000 Biber schätzt man. Es gibt keine natürlichen Feinde. Das das in dieser unberührten, einmaligen Landschaft einen riesen Schaden anrichtet, liegt auf der Hand – die Biber gehören nunmal leider nicht hierher. Heute sind noch ca. 100.000 übrig geblieben. Die Biber sind zur Jagd freigegeben, man bekommt sogar Geld für jeden erlegten Biber. Und ja, natürlich werden sie auch gegessen. Nur nicht der Schwanz, glaube ich 😉

Vor der Entdeckung Feuerlands und des Beagle- Kanals (der Verbindung Pazifik – Atlantik) lebten hier die Yámana- Ureinwohner größtenteils in ihren Kanus. Sie hatten Tag und Nacht ein Feuer in den Kanus brennen. Erstens wegen der Wärme und Zweitens um schneller ein neues an Land entzünden zu können, wenn sie weiterzogen. Es waren Nomaden, die ihrer Nahrung folgten. Daher stammt auch der Namen Feuerland. Die Kreuzfahrer, die den Beagle- Kanal entdecken und vermessen wollten, sahen überalls auf dem Land Rauch und Feuer und nannten es erst Land des Rauchs, später dann Feuerland. Wenn man in dieser Bucht steht und sich vorstellt hier zu leben – nackt wie die Yámana, wird einem kalt – ein Schauer läuft über den Rücken. Hier weht ständig starker Wind – alle Bäume wachsen schief deswegen. Und trotzdem gab es hier Menschen, denen es an nichts fehlte. Wie auch .. die Natur hat alles zu bieten, man muss nur darin leben lernen. Das taten sie – nackt auf ihrem Kanus. Jeder Familie gehörte eins. Die Frauen tauchten nach Muscheln, denn nur sie konnten schwimmen und bis zu 4 Minuten lang tauchen. Auch das Rudern blieb den Frauen vorbehalten. Die Männer fischten. Die Kinder hielten das Feuer auf dem Kanu am brennen. Als die Europäer das Land entdeckten (Anfang des 20. Jahrhunderts – das ist also garnicht so lange her) zwang man die Yámana Kleidung zu tragen – man hielt sie für Wesen, die wenig menschliches an sich haben. Diese Kleidung wurde in dieser Witterung natürlich nie trocken und so starben viele Ureinwohner. Der Rest wurde durch eingeschleppte Krankheiten ausgerottet.

Um so mehr denkt man nach, schaut sich um, stellt sich vor wie es früher hier war in dieser Bucht, in Feuerland.

Das war ihr Schicksal, was wird unseres sein??

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Wir fahren weiter .. noch etwas weiter nach Süden. An Bergen vorbei, auf denen kaum etwas wächst. Es ist kalt, die Sonne scheint. Bestes Wetter. Hier und da sieht man Delfine neben dem Schiff auftauchen.

Gegen 18 Uhr ist es dann soweit .. Kap Hoorn. Das Ende der Welt. Wo sich Atlantik und Pazifik treffen – diese riesigen Ozeane. Unvorstellbar.

Die Zodiakboote bringen uns an Land, wir steigen 160 Stufen nach oben. Die Landschaft ist dieselbe wie an den anderen Tage, aber es kommt einem noch etwas rauer vor. Muss es auch, hier ist die Welt zu Ende! Wir klettern den kleinen Steg entlang zum Kap-Hoorn-Denkmal. Es ist den Schiffen gewidmet, die auf ihrem Entdeckungen vor der Brandung von Kap Hoorn zerschellten. Schätzungen zufolge wurde die See vor Kap Hoorn mehr als 800 Schiffen und mehr als 10.000 Menschen zum Verhängnis und zum größten Schiffsfriedhof der Welt. Zum Gedenken an diese Seeleute wurde ein Denkmal auf dem Kap errichtet, das einen stilisierten Albatros darstellt. Ein Gedicht der chilenischen Dichterin Sara Vial für die Ertrunkenen findet man auf einer Tafel in der Nähe:

„Ich bin der Albatros, der am Ende der Welt auf dich wartet.
Ich bin die vergessene Seele der toten Seeleute, die zum Kap Hoorn segelten, von allen Meeren der Erde.
Aber sie sind nicht gestorben im Toben der Wellen, denn jetzt fliegen sie auf meinen Schwingen für alle Zeit in die Ewigkeit,
wo am tiefsten Abgrund der antarktische Sturm heult.“

Wir besuchen das kleine Haus, den Leuchtturm, in dem immer eine Familie ein ganzes Jahr lebt um Wache zu halten. Hier ist absolut nichts mehr – wo doch die ganzen vielen Kilometer weiter nördlich schon nichts war. Aber es gibt einen Hubschrauberlandeplatz und eine Kapelle. Hinter uns das beeindruckende Feuerland und vor uns in ca. 800 km Entfernung die Antarktis, die man großteils nur noch mit Eisbrechern erreichen kann. Ein seltsames Gefühl mit der Gewissheit dass dieses Fleckchen Erde wohl eines der unberührtesten und zugleich schönsten ist.

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By Janine on März 5, 2013

Comments:3

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  1. Antworten Schwesterchen 20.03.13

    Hallo ihr zwei,

    eure Fotos sind sehr beeindruckend. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie nur einen kleinen Teil von dem darstellen, was ihr wirklich erlebt. Es muss großartig sein!

    Wo hast Du nur so gut schreiben gelernt oder schreibt ihr beide? Die Reiseberichte sind echt lobenswert und man fühlt sich oft mittendrin.

    Liebe Grüße und alles Gute weiterhin
    Das Schwesterchen

    PS: Nur „Komodore“ musste ich nachschlagen. Ihr meint aber sicher Komorane, wie dann weiter unten auch geschrieben. 🙂

  2. Antworten Jörg Kaiser 21.03.13

    Servus ihr Zwei!

    Scheint Euch ja ganz gut zu gehen, am Ende der Welt. Schöne Bilder und gute Texte. Bin überrascht von der sehr bildhaften und fast schon poetisch/philosophischen Ausdrucksweise! Pass`scho, man kommt sich vor als wäre man mit Magellan unterwegs! Äußerst lehrreich und informativ, weiter so!

    Liebe Grüße und die besten Wünsche für die weitere Reise,
    von den Kaisers 🙂

  3. Antworten Janine 21.03.13

    Hallo liebe Mitlesenden 😀
    Wir schreiben beide, aber nicht einen Beitrag – wir wollen ja noch bissl unterwegs sein und uns nicht gleich auffressen 😉
    Der hier ist von mir .. man erkennt, wer schreibt .. abwarten .. sonst ist es ja nicht mehr spannend.
    Das Schreiben .. hmm keine Ahnung .. aber ich brauch auch ne Muse dazu. Zum Beispiel jetzt am Flughafen, wo vor mir ein Flieger nach dem anderen startet (wir fliegen grad nach Mexiko und haben 3 Zwischenlandungen mit Aufenthalt) .. da kann man schreiben und schreiben und schreiben .. schön, wenn es euch gefällt 😀
    Ja, gefundende Fehler dürfen behalten werden .. es sind natürlich Komorane. Kam sicher daher, weil wir versucht haben Andenkondore zu sehen – hat aber leider bisher nicht geklappt.

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